Mon Nov. 5, 2007
20:30

Marc Ribot Solo (USA)

Marc Ribot: guitar, vocals

Sorry this part has no English translation

Der Gitarrist Marc Ribot gehört zu den gefragtesten Musikern der Downtownszene von New York. Man findet sein Spiel aber auch auf Alben von Tom Waits, Caetano Veloso, Laurie Anderson und immer wieder in Projekten von John Zorn, so zum Beispiel als Teil von Electric Masada. Über die Jahre hat er immer seine eigenen Projekte wie Rootless Cosmopolitans, Shrek, Los Cubanos Postizos, Spiritual Unity gepflegt. Letzteres ist ganz der Musik von Albert Ayler verschrieben. Als Solist hat er auf der CD „Saints“ (2002) nebst Ayler, Lennon/McCartney und eigenem auch eine Reihe von Traditionals auf herausragende Weise interpretiert. Jetzt ist Ribot mit einem neuen Soloprogramm unterwegs, bei dem er mit Hilfe von Gitarre und Stimme die Stille erkundet. (Pressetext)

Einer der eindrücklichsten Gitarristen der Gegenwart verzauberte ... mit einer bunten Palette sehr persönlich inspirierter Neugestaltungen alter Songs aus der Mottenkiste des Jazz, aber auch bekannten Kompositionen von Monk und Gershwin. Meditativ leise mit „Monk’s Mood“ auf der elektrischen Gitarre eröffnet Marc Ribot das Konzert im Rahmen von \\\"jazz in winterthur\\\". Das Thema wird auf die minimal notwendigen Erkennungsmerkmale ausgedünnt, wo die Melodietöne fehlen, setzt er die charakteristischen Monk-Akkorde und lässt dem Zuhörer viel Raum und Zeit, im Kopf schon gehörte Phrasen aus dem Gedächtnis abzurufen oder eigene Melodiefragmente zu erfinden. Damit fordert Ribot von Beginn weg sein Publikum auf, seiner anspruchsvollen Musik aktiv zuzuhören. Den Mehrfachmetamorphosen, denen er auch „These Foolish Things“ auf der akustischen Gitarre unterzieht, kann nur der aktiv Zuhörende mit Genuss folgen. Die Art, wie der Mann aus seiner normalen Klampfe einen musikalischen Geistesblitz nach dem anderen sprudeln lässt, begeistert auch den Avantgarde-Skeptiker. Noch ein allen Jazzern bekanntes Thema, und das Eis ist gebrochen. Jetzt setzt Marc Ribot seine Elektronik in Betrieb: über mehr als zwei Duzend Pedale und Knöpfe zur Verfremdung der Töne und Beimischung von Geräuschen, Bildung von synthetischen Akkordkaskaden und Melodieschlaufen bedient er ein imposantes Zusatzinstrumentarium.
Zunächst lässt er seine Gitarre zur indischen Sitar mutieren. Für die Länge eines Ragas – oder was der Laie als solchen vermutet – lässt Ribot seine Zuhörer dem Zauber des Orients erliegen, um sie dann akustisch mit „Saint James Infirmary“ nach Louisiana – so quasi ins Heimatland des Jazz - zurückzuholen. Auf südstaatliche Gemütlichkeit folgt – der Kontrast könnte nicht grösser sein – die Hektik von New York oder gar das Chaos des Krieges, oder beides. „The Book of Heads“ ist eine Komposition von John Zorn, eine orgiastisch krächzend und jaulende Klang- und Geräuschmixtur, eine Provokation mit allen Mitteln der hier verfügbaren Tontechnik. Nur logisch der darauffolgende Gang zum Friedhof, die Rückkehr in den ländlichen Blues, mit einem wehmütigen Klagelied, das Marc Ribot von „Blind“ Willie Johnson gelernt hat. Dieser Hinweis und jener auf John Zorn sind die einzigen gesprochenen Sätze, die den Fluss des Konzerts unterbrechen. Marc Ribots Musik spricht für sich. Sie wendet sich an ein mündiges Publikum, das bereit ist, die Spannung zwischen zart leiser Intimität und brutal explosiver Aggressivität auszuhalten. Von kindlich naiv bis klassisch meisterhaft Gitarre spielend, weckt er Emotionen und Erinnerungen, wie es die Bilder der Kubisten Juan Gris und Georges Braque auf lautlose Art tun. Jeder erkennt in einzelnen Fragmenten oder deren kunstvollen Anordnung – der Komposition – Altbekanntes und letztlich sich selbst. Auf die schwarze Wehmut lässt Ribot europäische Klassik folgen. Die beiden kurzen Stücke erinnern an „The Intimate Bach“, eine LP von Laurindo Almeida, einem frühen Grenzgänger aus der Gitarrenmeisterzunft. Was darauf folgt, reisst den Zuhörer wieder aus seinen romantischen Träumen. Verkehrslärm, Dampfgezische, Klopfen, Stampfen und Scheppern dröhnt – in sehr erträglicher Lautstärke, dem Tonmeister sei’s gedankt –aus den Lautsprechern. „La guitare maltraitée“ könnte das Stück ohne weiteres heissen. Mit einer verblüffend einfachen Dreitonmelodie beruhigt Ribot den Sturm und einem Abstecher nach Italien, begleitet vom Marschgesang der Partisanen, erreichen wir das Paris von Django Reinhard. Auf ein stimmiges „Nuages“ folgen weitere Ribot-Neuerfindungen von Standards, wie „Autumn Leaves“ und „I’m Confessin“. Mit der hochdramatischen Version von Gershwins „Our Love is Here to Stay“ setzte Marc Ribot – halb singend, halb rezitierend – den Schlusspunkt eines zweistündigen, beglückend anspruchsvollen Solokonzerts. Die Zugabe, die er der scheidenden Veranstalterin Susanne Peter widmete, hiess sinnigerweise „Everything Happens to me“ und – weil alle noch mehr hören wollten – gab‘s ganz zum Schluss noch ein makellos gespieltes Stück aus dem klassischen Repertoire. (Jacques Rohner)