Wed Dec. 3, 2008
20:30

Schlippenbach Trio „Winterreise 2008“ (D/GB)

Alexander von Schlippenbach: piano
Evan Parker: saxophone
Paul Lovens: drums

Sorry this part has no English translation

Was Schubert konnte, kann Schlippenbach schon lange: Drei alte Freejazzer fahren durch die deutsche Provinz. Und erleben so einiges.
Bei Dunkelheit und schlechtem Wetter in einer unbekannten Stadt anzukommen, erst mal „Hotel Kacke“ in der Kackgasse und dann den Club zu finden, sei ein melancholisches Geschäft, berichtet Alexander von Schlippenbach von der alljährlichen Winterreise seines Trios. Immerhin seien die Clubs heute etwas komfortabler als vor 35 Jahren, als alles begann. In den Anmerkungen zur neuen CD mit frei improvisierter Musik notiert Schlippenbach auch Zeichen der Veränderung – die Clubs seien heute etablierter, da sie oft mit städtischen Kulturbehörden zusammenarbeiten, könnten sie auch etwas bessere Gagen zahlen.
Mit Schlippenbach am Steuer, Parker als Straßenkartendeuter und Lovens auf dem Rücksitz geht es, jedes Jahr im Dezember, auf eine kleine Tour durch ausgewählte Clubs. Unlängst wurden Parkers Karten durch das Navigationssystem „Lisa“ ersetzt. Schnell hat man es in „Moni“ umgetauft, das Hotel in der Kackgasse findet man mit ihrer Stimme tatsächlich viel schneller. Parker beschreibt die Tour als eine Mischung aus Urlaub und Verpflichtung. Lovens ist für die Musik im Auto zuständig – letztens haben sie auf der Fahrt fast ausschließlich Soli des Saxofonisten Wayne Shorter gehört, die Lovens auf Kassetten kopiert hatte. Die Musikstücke setzten immer erst da ein, wo das Solo beginnt und brachen ebenso abrupt wieder ab.
Das Schlippenbach-Trio hat europäische Freejazzgeschichte geschrieben, seine Musik swingt. Es gilt heute als eines der langlebigsten Kollektive der Improvisierten Musik. Die Vielfalt der gemeinsamen Erfahrungen und Ideen hört man während dieser knapp 70 Minuten Musik auf Winterreise sehr deutlich. Die kollektive Improvisationshaltung Schlippenbachs widerspricht jenen musikalischen Gesetzgebern, die auf das einmalige Ereignis setzen. Das macht die Musik des Trios so wundervoll: Intensität und Dichte, Klangberge und leise Horizonte aus einer gut gefüllten Schatztruhe gemeinsamer Spielerfahrung geschöpft. (Christian Broecking)