Sun March 8, 2009
20:30

Christian Muthspiel Trio „Dancing Dowland“ (A/F)

Christian Muthspiel: trombone, piano
Frank Tortiller: vibraphone
Georg Breinschmid: bass

Sorry this part has no English translation

Als Sohn eines Musikers, der sich schon ab den 1950er-Jahren intensiv mit Alter Musik beschäftigt hat, gehörte die Musik der Renaissance zum Soundtrack meiner Kindheit. Die wie endlos wirkenden, schwerelos schwebenden, von Taktstrichen unbehelligten Linien der polyphonen Stimmengeflechte eines Tallis, Ockeghem, Schütz, Allegri oder eben Dowland üben bis heute größte Faszination auf mich aus.
Knapp vierhundert Jahre liegen zwischen John Dowlands Geburt und der Mitte des 20. Jahrhunderts, in welcher der Jazz seine wohl vitalste und revolutionärste Ära erlebte. Beschreibt man einige der wichtigsten Merkmale der Musik der Renaissance und des Jazz, tritt eine Reihe von Parallelen zutage: Die oftmals freie Wahl der Instrumente; die Skizzierung eines harmonischen Verlaufes, dessen Ausformung durch Improvisation mit musikalischem Sinn erfüllt werden muss; der daraus resultierende Freiraum für den Interpreten, welcher dem Werk die entscheidenden Impulse erst im Moment der Aufführung verleiht; die Möglichkeit, Stimmen hinzuzufügen oder wegzulassen u.s.w.
Je weiter man in der Geschichte der notierten Musik in die Vergangenheit zurückblickt, desto rudimentärer, skizzen- und rätselhafter erscheint uns das Notenbild. Das Schöne daran ist das daraus entstehende Rätsel, welches unsere Vorstellung fordert und fördert, das Geheimnis, wie diese Musik in ihrer Zeit geklungen haben mag. Das, was zwischen den Zeilen steht, wird zum Wesentlichen.
Alle Kompositionen dieses Programms sind aus Dowlands meisterhaftem Instrumentalzyklus „Lachrimae, or Seaven Teares“ extrahiert. Meine Metamorphosen bleiben dabei sehr nahe am thematischen Material des Originals, um die sehr spezifische Linienführung und daraus resultierende Harmonik als grundlegende gestalterische Elemente weiter zu verwenden, umzudeuten, in andere Kontexte zu stellen. Aus Dowland´schen „Keimzellen“ neue Stücke im Spannungsfeld zwischen Kammermusik und Jazz zu komponieren, die vor allem auch als Sprungbretter für unsere Trio-Interaktionen dienen, war das Ziel. Denn jede Jazzkomposition muss auch den improvisatorisch zu erfüllenden Raum definieren.
Die Spielweise und der Sound meiner beiden großartigen Mitmusiker, die sich in der Welt der komponierten Musik genauso selbstverständlich bewegen wie als Jazzmusiker, waren Voraussetzung für mich, dieses Projekt zu wagen und uns „Dancing Dowland“ auf den Leib zu schneidern. (Christian Muthspiel)