Sat March 27, 2010
20:30

Enrico Rava New Quintet (I)

Enrico Rava: trumpet
Gianluca Petrella: trombone
Giovanni Guidi: piano
Gabriele Evangelista: bass
Fabrizio Sperra: drums

Sorry this part has no English translation

„Bonjour Triest“! Denn es gilt eine besondere Musikerpersönlichkeit zu ehren, den 1943 in Triest geborenen Trompeter und Komponisten Enrico Rava. Der diesjährige Preisträger des European Jazz Prize schlug als 18 jähriger die Laufbahn eines Berufsmusikers ein. Als Italiener in New York ließ er seine Trompete im Kontext des sich schnell radikalisierenden Jazz der sechziger Jahre erklingen. Mit Steve Lacy, Roswell Rudd, Don Cherry, Charlie Haden oder Gunter Hampel spielte er seine Lust am Avantgardismus aus, und wer je, wie er, mit Cecil Taylor gespielt hat, weiß um die wilde Poesie des Augenblicks im Free Jazz. Rava frischte später sein Temperament mitsamt Einheirat nach Brasilien in Lateinamerika auf, vergaß aber seine europäische Heimat nicht, wenn er mit sardischen Musikern wie Paolo Fresu zusammen kam. Mit seinem Trompetenspiel, das gleichermaßen lyrisch als auch frei und melodienselig sein kann, brillierte er auf zahlreichen Einspielungen unter eigenem Namen, kombinierte auf subtile Weise italienische, lateinamerikanische und amerikanische Einflüsse. Als Weltenbürger par excellence, der abwechselnd in Amerika, Brasilien und Italien lebt, spricht er die internationale Sprache des Jazz in allen Spielarten, aber eben auch lokale Musikdialekte. Die Grenzen zwischen Jazz, Klassik und Folklore überwindet er spielend, wobei ihm die italienische Oper als die wahre Volksmusik seiner Heimat gilt. Und wenn apulische Bandas Opernmelodien auf der Straße spielen, dann muss auch ein Enrico Rava mit seinem lyrischen Ton Puccini und Bizet „Carmen“ huldigen. Er hat der italienischen Oper ebenso Alben gewidmet wie seinen erklärten Vorbildern Louis Armstrong, Bix Beiderbecke, Chet Baker und Miles Davis. Als rastloser Grenzgänger tourte er mit einer Free Big Band durch Asien, betrieb diverse Bandprojekte mit Harry Pepl, Dino Saluzzi, Ray Anderson, Albert Mangelsdorff, Lee Konitz, Gato Barbieri, Alexander von Schlippenbach oder Barney Wilen und zeigte sich im Ensemble-Spiel als Leader, der seinen Mitspieler zwar eindeutige Vorgaben macht, ihnen aber Raum zur ihrer eigenen Entfaltung und Interaktion eröffnet. Die Linien, die er spielt, meistens in der mittleren Lage, sind niemals simplizistisch, aber von zwingender lyrischer Einfachheit und Bestimmtheit – und mehr braucht es nicht, um seinen Status und seine Souveränität als Bandleader anzuerkennen. Von klassischer Kultiviertheit, sinnlicher Neugier und intellektuellem Durchdringungswillen getragen, hat er seine Musik dem Film und der Kunst zukommen lassen, zur Freude von Bernado Bertolucci, Michelangelo Pistoletti und dem Publikum. Mehr Reichtum in einem künstlerischen Leben ist kaum zu erwarten. Enrico Rava hat es gelebt, ein reiches künstlerisches Leben in der Musik geführt. Allein, der European Jazz Prize ist kein Werk für ein Lebenswerk, kein Preis für vergangene Meriten. Sondern ein Preis für die Lebenden, eine Auszeichnung für ein lebendiges Schaffen in der Gegenwart. Und diesen Preis hat sich der Mann aus Triest durch die Fülle seiner diesjährigen Aktivitäten und eben mit seinem aktuellen Album „New York Days“ (ECM) und der Wiederveröffentlichung seines 1999er Duo-Albums „Duo En Noir“ (between the lines) erspielt. Einmal mehr hat er mit diesen Alben transatlantische Brücken zwischen europäischer Musik und afroamerikanischen Jazz geschlagen und damit sein im Laufe der Jahrzehnte wachsendes kompositorisches Können und sein von sinnlicher Körperlichkeit getragenes Spiel demonstriert. Das ist so bewundernswert wie preiswürdig, und stimmt nicht einen Moment traurig, da es den Horizont auf eine Musik eröffnet, die musikalische Welten zu einer Einheit in Vielheit verbindet und daraus eine produktive Spannung sich entwickeln lässt. Der Musiker aus Triest, ein Mann von Welt, dem Vergangenen soweit zugetan, dass es der Gegenwart nutzt und von dem auch in Zukunft noch zu hören sein wird. Und das alles begann in einer Hafenstadt im Jahre 1943 und wird heute und hier beglückwünscht. (Harald Justin)

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem AMO