Wed Jan. 26, 2011
20:30

Lucas Niggli „Big Zoom“ feat. Barry Guy (CH/GB/D/USA)

Lucas Niggli: drums, percussion
Anne La Berge: flute, electronics
Nils Wogram: trombone
Philipp Schaufelberger: guitar
Barry Guy: bass

Sorry this part has no English translation

Nomen est Omen – Namen sind Zeichen! „Polisation“ lautet der Titel des Albums, ein Kunstbegriff, den es so nicht gibt, ein Rätselwort, das für viele Deutungen und Bedeutungen offen ist. Die Vorsilbe „poly“, die aus dem Altgriechischen stammt und dem Lateinischen „multi“ entspricht, steht für „viele“, „mehrere“ oder „einige“, hier für verschiedene Stilmittel, die in der Musik des Schweizer Schlagzeugers und Komponisten Lucas Niggli eine wesentliche Rolle spielen: Polyphonie (=Mehrstimmigkeit), Polystilistik (=die Vielfalt an stilistischen Einflüssen) und Polymetrik (=das Nebeneinander sich überlagernder Metren).
Die zweite Hälfte des Zauberworts ist von Edgard Varèse (1883 - 1965) entlehnt. Mit „Ionisation“ schuf der Avantgardist 1930 ein Schlüsselwerk der Neue Musik, das außer einer Sirene nur Schlagzeugklänge verwendete, die damals als „Geräusch“ und „Lärm“ empfunden wurden und das Stück deswegen als Affront. Für den Schlagzeuger Lucas Niggli wurde „Ionisation“ ebenfalls zum Schlüsselwerk. Es riß neue Horizonte auf und etablierte mit seinem Reichtum an Farben ein Modell der kompositorischen Möglichkeiten. Lucas Niggli folgt der Spur. Seine Klangfarbenkompositionen wandeln sich kontinuierlich und nehmen – kaleidoskopartig – fortwährend eine neue Gestalt an. Ein Drehbuch der stetig wechselnden Szenerien entfaltet sich, als ob eine mächtige Geisterhand am Regler eines riesigen Weltempfängers drehen würde. Mit dem „Ohr der Imagination“ (Edgard Varèse) lauscht Niggli in das Universum der Töne, Laute und Geräusche hinein. Was da zu vernehmen ist, reicht von den Dissonanzen der Avantgarde bis zu südafrikanischem Township-Jive, von präzise ausgeführten, fein zisellierten Notationen bis zu hochfliegenden Improvisationen, neben fast punk-artigen Ausbrüchen, häufig angetrieben vom federnden Groove der Trommeln – in Nigglis Panoptikum der Klänge wirbelt vieles durcheinander. Oft verschränken sich die kompositorischen Bauteile ineinander, oder es reiben sich verschiedene Ebenen und Schichten der Arrangements wie Felsplatten aneinander – bis die Funken spüren! Zwischen den Polen von Freiheit und Ordnung spielt Niggli die musikalischen Möglichkeiten durch. (Christoph Wagner)