Sun May 29, 2011
20:30

Nigel Kennedy Quintet (GB/PL)

Nigel Kennedy: violin
Tomasz Grzegorski: tenor saxophone
Piotr Wylezol: piano, keyboards, hammond organ
Adam Kowalewski: bass
Krzysztof Dziedzic: drums

Sorry this part has no English translation

“Wer will, kann mich einen klassischen Geiger nennen; ich selbst verstehe mich als einen Musiker, der einfach Musik spielt – und nicht nur eine Art von Musik”. Dies Zitat manifestiert, wie sehr sich der Geigenvirtuose Kennedy als Weltmusiker versteht. Seine Interessen gelten sowohl Bach, Beethoven, Vivaldi und Mozart, aber auch Hendrix, Peter Gabriel, The Doors, dem Jazz und der Klezmer-Musik.

Im Jahre 2003 verband er erstmals die Musik Bachs mit den Kompositionen von Miles Davis. Kennedy gilt seit über 10 Jahren als das “enfant terrible” der klassischen Musikszene und liebt es, sich als archaischer Grenzgänger zwischen den Musikstilen zu positionieren. Kennedy stammt aus einer Musikerfamilie; sein Vater war Cellist, seine Mutter Pianistin; mit 6 Jahren erlernte er das Geigenspiel, mit 7 Jahren erhielt er das begehrte Stipendium an der Yehudi Menuhin School in London. Mit 16 ging er an die Juillard School of Music. Er wird in der Folge von Menuhin, D. De Lay und Stephane Grappelli unterrichtet und beeinflusst.
Ab 1980 tritt Kennedy regelmässig mit den Berliner Philharmonikern auf, weiter arbeitet er auch mit Riccardo Muti und anderen berühmten Orchesterleitern zusammen. Speziell seine Vivaldi- und Bach-Einspielungen vor 10 Jahren schlugen ein und machten Kennedy zum Weltstar und Millionseller. Seit einigen Jahren pflegt er auch regen Kontakt zur polnischen Musik- und Klezmerszene und veröffentlichte Aufnahmen mit der Klezmerband “Kroke”. (Pressetext)

Genie oder manisch-depressiver Wirrkopf? Nigel Kennedy, fast fünfzigjähriger Geiger aus dem britischen Seekurort Brighton, ist außer Stande, sich im wirklichen Leben auf irgendetwas länger als fünf Minuten zu konzentrieren. Die Musik scheint sein einziges Kontinuum. Nur in ihr findet dieser rastlose Geist, der ständig von Thema zu Thema, von Pointe zu Pointe hüpft, so etwas wie Ruhe. Das Wunderkind-Syndrom Kennedys, das sich in akuten Anfällen von Infantilismus manifestiert, muss hinter den Kulissen bekämpft werden. Der mit einer Horde von Nerds in der Yehudi Menuhin School Ausgebildete widmet sich nämlich mit großer Leidenschaft dem Quälen seines Hofstaats aus Managern, Club-Betreibern, Medien- und Plattenfirmenvertretern. Sonderwünsche und Sonderbarkeiten sonder Zahl – nichts versagt sich dieses ewige Kind. Und wenn es dann endlich auf der Bühne abgesetzt ist, verlautet es zufrieden: “Alles ist gut!" . Gekleidet in Armeehosen, schwarzes Sakko und um den Bauch gebundenes Palästinensertuch, zeigte sich der bleiche Brite in Wien schwer bepackt: In einer Hand hielt er die Fiedel, in der anderen eine Flasche Bier. Ein Zugeständnis ans Entgrenzungsklischee im Jazz? Glücklicherweise ließ er dann einigermaßen von den Fisimatenten des ewigen Klassenkasperls ab, bemühte sich um musikalisches Ausufern. Mit einer dynamischen Adaption von Duke Pearsons "Gaslight" geriet der Groove-Waggon – dank der superben polnischen Band – ins Rollen. Es galt, Kennedys überraschend geglücktes Jazzalbum "Blue Note Sessions", eingespielt mit einer traumhaften Besetzung von Joe Lovano über Ron Carter bis Jack DeJohnette, adäquat umzusetzen. Der erste Teil des Konzerts stand ganz im Zeichen von Duke Pearson, diesem fast vergessenen Genie, das mit Alben wie "The Phantom", "Wahoo", "Now Hear This" und "Sweet Honey Bee" konsequenten Hard Bop und seufzende Kammermusik kreuzte. Im Gespräch mit der “Presse" schwärmte Kennedy: "Pearson ist mein absoluter Favorit im Blue-Note-Stall. Er schuf die perfekte Brücke zwischen Modern Jazz und Swing, schrieb perfekte Melodien und attraktive Harmonien. Wenn er nicht so früh an multipler Sklerose gestorben wäre, würde man ihn wohl in jedem Haushalt kennen." Das in New York eingespielte Kennedy-Album fokussiert einerseits den Blue-Note-Jazz der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre, überrascht andererseits mit Jazz-Funk-Klassikern wie Lonnie Liston Smiths "Expansions". Kennedy über sein Konzept: "Mir ging es darum, das Innuendo im harmonischen Bereich auszureizen, versteckte Sinnlichkeit zu transportieren, selbstverständlich auch an der großen Freiheit des Jazz zu kratzen! Die Stücke der späten Sixties und frühen Seventies eignen sich dafür besonders, weil in ihnen Freiheit und Struktur perfekt ausbalanciert sind. Und so was wie ,Expansions' ist Bestandteil des wilderen Teils meiner Jugend, dem lauschte ich nicht selten stoned like a motherfucker . . ." Abgesehen von seiner elegischen Eigenkomposition "Stranger In A Strange Land", die eine in wehem Ton vorgetragene Kritik an der US-Außenpolitik sein soll, bestand das erste Set nur aus Pearson-Stücken: das flotte "Sudel", das melancholische "After The Rain", das wild böllernde "Big Bertha" (aus Pearsons Album "Sweet Honey Bee"). Zur Ankündigung dieses prachtvoll groovenden Stücks, das einst der prallen Gattin Pearsons zugeeignet war, lehnte sich Kennedy weit über den Rand des Sittsamen hinaus: "In Amerika gibt es diese Speaks-Your-Weight-Machines. Wenn Bertha bloß ihren Busen auf solche eine Waage legte, ertönte eine Stimme: No families, please!"
Weniger Pointen gab es letztlich im Spiel Kennedys. Umrahmt von ausgezeichneten Jazzern, konzentrierte er sich meist darauf, einen glühenden Klageton zu variieren, der seine Lebendigkeit aus dem wilden Umfeld zog. Durch geschickte Auswahl der Tunes – Nat Adderleys rasantes "Games", Horace Silvers leidenschaftliches "Song For My Father", Kenny Burrells pfauchendes "Midnight Blue" – gelangte im zweiten Teil das Publikum an den Rand der Raserei. Nach Ivory Joe Hunters "I Almost Lost My Mind", einem nachdenklichen Blues, kulminierten die Kräfte im wundervollen "Expansions". Kaum war der letzte Ton verklungen, kratzten auch schon die zwanzigjährigen Groupies an Nigels Garderobentür: ein seltenes Phänomen im Jazzklub. (Samir H. Köck, 2006)

Eintritt: 58.- € Sitzplatz, 42.- € Stehplatz