Mon April 16, 2012
20:30

Branford Marsalis Quartet (USA)

Branford Marsalis: tenor-, soprano saxophone
Joey Calderazzo: piano
Eric Revis: bass
Justin Faulkner: drums

Sorry this part has no English translation

Saxofonist Branford Marsalis gastiert in Wien. Mit der „Presse“ sprach er über Billie Holiday und Golf.

Coverversionen hat Branford Marsalis nur selten aufgenommen. Doch 2004 begeisterte er mit einer großartigen Version von „Gloomy Sunday“, dem Song, den Billie Holiday unsterblich gemacht hat. „Ich habe mir einmal den deutschen Film gleichen Namens angesehen“, erzählt Marsalis: „Popsängerin Heather Nova sang darin eine grauenhafte Version. Doch ein wenig von der Qualität des Originals schimmerte trotzdem durch. ,Gloomy Sunday‘ kann niemand zerstören.“

Das Lied ist zäh, seine Hörer und Interpreten waren es oft nicht. In Ungarn löste „Gloomy Sunday“ einst eine Selbstmordwelle aus. Und der selbstzerstörerische Lebenswandel von Billie Holiday ist bekannt. Marsalis: „Billie identifizierte sich mit dem Leid anderer, deshalb brach ihr Gesang die Herzen so vieler Hörer. Je älter sie wurde, desto berührender wurde ihre Kunst. Die Stimme war jetzt brüchig, aber noch mehr ans Herz gehend. Die deutsche Sopranistin Gundula Janowitz erinnert mich an Billie. Ihre Stimme ist klein, ihr Vibrato ein wenig zu heftig, aber sie trifft den emotionalen Kern des Hörers. Eine größere Macht gibt es nicht.“

Branford Marsalis' neues Album zeigt ihn in Höchstform mit seinem zehn Jahre bestehenden Quartett. Kann man nach so langer Zeit noch kreativ miteinander spielen? „Nichtvorhersehbares zu spielen fällt mit Leuten, mit denen man vertraut ist, sehr viel leichter. Mit Unbekannten kann man gar nicht wirklich improvisieren, weil sich alle Beteiligten an Schemata festhalten. Jazz ist im Grunde ein System, das es erschwert, spontan miteinander umzugehen.“

Angst vor einer Publikumsflucht hat Marsalis längst nicht mehr: „Ich konkurriere nicht mit Sting oder Green Day. Als Jazzmusiker macht man Musik für Leute, die die intellektuelle Kapazität haben, sie zu verstehen. Das ist halt nicht die Mehrheit. Aber die interessiert mich auch nicht.“

Aber war Jazz nicht einst Tanzmusik? Marsalis zuckt die Achseln: „Ja, aber das ist lange vorbei. Auch klassische Musik war mal Tanzmusik. Mozart veränderte das. Und der Mozart, der im Jazz alles veränderte, war Charlie Parker. Niemand unter 65 Jahren tanzt zu Jazz. Ich hab ja auch einmal in einer R&B-Tanzkapelle gespielt, aber mir ist es zu wenig, ständig an die niedrigsten Instinkte des Publikums zu appellieren.“

Was hält er dann von Leuten, die in Jazzclubs essen? „Das ist schon okay. Es ist ein Mythos, dass das früher einmal anders war. Man hört das auf klassischen Livealben: Was da gequatscht wurde zu den Soli von Charlie Parker oder Sonny Rollins! Jazzclubs waren damals, was heute Zigarrenclubs oder Diskotheken sind: coole Orte, wo man schöne Frauen trifft und sich einen antrinkt.“

Marsalis spielt auch Golf. Wie verhält sich das zum Jazz? „Anders als im Jazz kann man im Golf eine schlechte Technik nicht als persönlichen Stil durchgehen lassen. Im Jazz sollte das auch niemand dürfen. Vielleicht mit Ausnahme von Ornette Coleman.“ (Samir H. Köck, 2009)
Eintritt: 35.- € Sitzplatz, 28.- € Stehplatz