Sun May 13, 2012
20:30

Milcho Leviev & Chico Freeman (BG/USA)

Milcho Leviev: piano
Chico Freeman: tenor-, soprano saxophone

Sorry this part has no English translation

Milcho Leviev is definitely one of today’s Jazz geniuses. (Don Ellis, 1974)
Für eine Ikone hat Milcho Leviev zu viel Humor, dennoch wird er als solche verehrt, in Bulgarien, im internationalen Jazz. Er gilt als der Begründer und unvermindert agile Hauptprotagonist des Balkan-Jazz. Wir schätzen uns glücklich, ihn für ein Konzert gewonnen zu haben, und zwar mit seinem geschätzten Kollegen Chico Freeman. Der 1936 in Plovdiv, Bulgarien, geborene Leviev entstammt einer jüdischen Familie. Was wenige wissen: Die jüdische Bevölkerung Bulgariens wurde dank des Engagements des Abgeordneten Dimitar Pesev und des Metropoliten Stefan vor der Auslieferung an die Nazis gerettet. Früh hörte Leviev amerikanische Radiosender und Jazz. Und als junger gefeierter Pianist und Arrangeur setzte er bereits in den 1960er Jahren das bulgarische Repertoire mit Blues- und Jazzkompositionen an. Da das kommunistische Regime und er nicht lange unter einem Dach leben konnten, verließ er 1970 seine Heimat und landete über Umwegen als Arrangeur, Solist und Komponist im Orchester seines großen Vorbilds Don Ellis. Dieser kulturell äußerst offene und neugierige Musiker war natürlich begeistert von Levievs Beiträgen – und so finden sich auf der Platte „Tears of Joy“ (1971) erste Beispiele der Fusion bulgarischer Musik mit Jazz. Im Vergleich zu vielen später geborenen Balkan-Jazzern war Leviev von Anfang an vom hohen künstlerischen Potenzial des „American Way“ und der südbalkanischen Musik überzeugt, hätte also nie das eine gegen das andere „ausgespielt“. Seine Karriere führte ihn auch durchs Orchester von Billy Cobham, er arrangierte für Manhattan Transfer und Al Jarreau und festigte sich bald international den Ruf eines großen Komponisten und Pianisten. 1990 nach dem Fall des Regimes Todor Zhivkov kehrte er nach Bulgarien zurück, viele Jünger, amerikanisch geschulte Jazzer, standen schon Schlange, um dem „Meister“ zu folgen. Dieser aber erwählte sich für sein erstes Konzert in Sofia den jungen Theodosii Spassov zum Duettpartner, jenen Pionier auf der Hirtenflöte Kaval. Dieser symbolträchtige „Ritterschlag“, dieses Abwinken der „Amerikanisten“ galt einer ganzen Szene, die damals den wertvollen Schatz ethnischer Tradition aus sich heraus – ohne Amerikanismen – weiterentwickelte und uns als „bulgarischer Sonderweg“ Generationen exzellenter Musiker bescherte, die ethnisch gefärbten Jazz kreieren, ohne je provinziell zu wirken. Milcho Leviev blieb beiden Welten treu und noch vielen mehr. So gilt seine Liebe zunehmend auch der Renaissancemusik und dem Frühbarock, welche er neu arrangiert.
Chico Freeman darf mit Fug und Recht als einer der einflussreichsten Jazzmusiker unserer Zeit bezeichnet werden – wenige bedeutende Kollegen, die seine Wege nicht gekreuzt haben. Dabei ist seine Vielseitigkeit bemerkenswert: ein Protagonist des Avantgarde Jazz, zugleich ohne Scheu vor traditionelleren Formen, vor Blues, Funk, Soul und Pop. Mit Milcho Leviev dürfte er relativ spät zusammengekommen sein, unseres Wissens erst bei ihrem denkwürdigen gemeinsamen Konzert im südserbischen Nis, beim Nisville Jazz Festival 2011. (Richard Schuberth)