Mon June 3, 2013
21:00

Christian Muthspiel 4 feat. Steve Swallow 'Seaven Teares – A Tribute to John Dowland' (A/CH/F/USA)

Christian Muthspiel: trombone, piano, e-piano
Matthieu Michel: trumpet, fluegelhorn
Franck Tortiller: vibraphone
Steve Swallow: bass

Sorry this part has no English translation

Seit jeher übt die Musik der Renaissance mit ihren wie endlos wirkenden, von Taktstrichen unbehelligten, schwerelos schwebenden Linien und polyphonen Stimmengeflechten größte Faszination auf mich aus.
450 Jahre nach John Dowlands Geburt begeben sich nun meine Mitmusiker und ich auf eine suchende Reise nach Möglichkeiten der Übersetzung dieser skizzen- und rätselhaft notierten Klangwelt des elisabethanischen England in unsere gemeinsame Sprache des Jazz. Die dabei zu Tage geförderten Parallelen beider Stilistiken und Epochen lassen den Stellenwert der Improvisation in Dowlands und seiner Zeitgenossen Musik erahnen.
Alle Kompositionen dieses Programms sind aus dem Instrumentalzyklus „Lachrimae, or Seaven Teares“ extrahiert. Sieben verschiedene Arten von Tränen werden hier von fünf Gamben und einer Laute vielstimmig besungen. Meine Metamorphosen bleiben stets nahe am thematischen Material des Originals, um dessen sehr spezifische Linienführung und daraus resultierende Harmonik als die grundlegenden gestalterischen Elemente zu modifizieren, umzudeuten, in andere Kontexte zu stellen.
Somit sind aus Keimzellen dieses Meisterwerks der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert neue Stücke im Spannungsfeld von Kammermusik und Jazz entstanden, die zugleich als Sprungbretter für unsere improvisierten Quartett- Interaktionen dienen. (Christian Muthspiel)

Mit seinem Quartett interpretierte Muthspiel den Liederzyklus «Lachrimae» des britischen Renaissancekomponisten John Dowland. Muthspiel ist Sohn eines Chorleiters, der ihm alte Musik offenbar schon in die Wiege legte. Sein Projekt scheint zum einen also biografisch motiviert. Zum andern ist es auch gut durchdacht: Weil die Renaissance-Musik mit knappem Notentext auskommt und viel Raum für Improvisation ausspart, ist sie mit dem Jazz vergleichbar. Außerdem fördert ihre polyfone Struktur das hierarchiefreie Zusammenspiel – ein zentrales Postulat im zeitgenössischen Jazz. Die Musiker überzeugten mit beherztem, feinfühligem Interplay. Das Jazzquartett spielte die Kompositionen süffig, es schwelgte in den Harmonien, genoss die opulente Melodik. Steve Swallow am Bass zeichnete die formalen Fundamente wie mit einem federnden Filzstift nach. Muthspiel sorgte am Piano oder an der Posaune (dank Loops oft mehrstimmig) für harmonische Dichte. Der Trompeter Matthieu Michel glänzte in hohen Lagen. Und der Vibrafonist Frank Tortiller – er setzte die solistischen Höhepunkte. (Neue Zürcher Zeitung)