Mon April 1, 2013
19:00

Tun Sie etwas! (XV)*: SORMEH

Golnar Shahyar: Gesang, Daf, Berimbao
Mona Matbou Riahi: Gesang, Klarinette, Bassklarinette
Jelena Popržan: Gesang, Viola, Setar, Loops

Sorry this part has no English translation

«Ihr Name ist Programm. ‹Sormeh› ist das persische Wort für Lidstrich – ein wiederkehrendes Motiv in der Literatur, das für Schönheit und Kraft steht - wie die Musik von Sormeh. Das Trio schafft eine Verbindung zwischen Balkan und Orient, lässt geografische und geistige Grenzen verschwinden.»

Rosa Nowak (Wiener Zeitung)

Eines haben die aus dem Iran stammenden Damen Golnar Shahyar & Mona Matbou Riahi mit Jelena Popržan aus der Vojvodina gemeinsam: aufgewachsen in nahfernen multikulturellen Zivilisationen bereichern und beeinflussen alle drei nun in Wien lebenden MusikerInnen mit ihren ungemein vielseitigen Klangkombinaten das austriakische Musikwesen so erfreulich wie nachhaltig.
Perser, Kurden, Luren, Bakthiaren, Tadjiken, Azarbaidjaner, Turkvölker wie die Stämme der Afshar, Shahsawan, Yamut, Gukian, Qashqai, Qadjaren, Qaragozlu, Muqaddam, Taimurtash, Kamseh, arabisch sprechende Stämme als auch Armenier, Assyrer und eine jüdische Minderheit garantieren dem Vielvökerstaat Iran eine facettenreiche Komplexität kultureller Erfahrungen und Traditionen.
Allein in der serbischen autonomen Provinz Vojvodina werden sechs Amtssprachen mit ihren jeweiligen Schriften verwendet: Serbisch (kyrillisches sowie lateinisches Schriftsystem), Ungarisch (lateinisch), Slowakisch (lateinisch), Kroatisch (lateinisch), Rumänisch (lateinisch) und Russinisch (kyrillisch): Neben den Serben, welche die absolute Mehrheit der Bevölkerung bilden, leben in der Vojvodina als anerkannte autochthone Minderheiten u. a. Ungarn, Slowaken, Kroaten, Rumänen, Bunjewatzen, Šokci, Russinen, Roma, Deutsche und Bulgaren.
Geographische wie geistige Grenzen geben in diesem Zusammenhang keinen Sinn. Folglich sind die musikalischen Materialien dieses einzigartigen Trios ständig ungeahnten Metamorphosen unterworfen und unterliegen (Gott, Allah, Jahwe und Zarathustra sei es gedankt) dabei keinen Stil- und Traditionszwängen.
Und doch gelingt es Sormeh stets, die öde Beliebigkeit zeitgeistiger "Fastfood-Worldmusic" wohltuend zu vermeiden, authentisch Neues zu entwickeln.

»Das Wort Challenge ist ein Schlüsselbegriff in der zeitgenössischen (Musik)ethnologischen, anthropologischen und biologischen Forschung geworden. Es wird angewandt auf genetische und kulturelle Begegnungen, die den Begegnenden "fordern". In der Situation der Challenge wachsen sie aneinander.
Das biologische und/oder kulturelle Erbe schleift sich nicht ab, sondern kristallisiert sich angesichts der Herausforderung durch eine jeweils andere Tradition um so stärker heraus.
Der neuen Idee der Challenge stehen die konservativen (Musik)ethnologischen Ideen von der Reinhaltung der Kulturen und Rassen gegenüber.
Nur wurde die eine - die rassistische - durch den Rassenwahnsinn der Nazis auf furchtbare Weise ad absurdum geführt und als das erkannt, was sie ist: als faschistoid-, während die der kulturellen Reinhaltung (nicht zufällig seit je von nationalistischen Folklore-Vereinen emsig propagiert) erst heute als latent faschistoid erkannt wird...
Wer die Kulturen "rein" halten will, schwächt sie.« (Joachim-Ernst Behrendt)

In diesem Sinne: HERZLICH WILLKOMMEN!

* Aus der Rede des ungarischen Dirigenten Ivan Fischer 2011 zum 9. November (Reichspogromnacht 1938):
(...) Lesen Sie die Hetzartikel? Sehen Sie die ultranationalistischen, fremdenfeindlichen und antiziganistischen Bewegungen, die europaweit zunehmen? Dann bitte ich Sie, endlich zu begreifen, dass in Europa nicht in erster Linie der Euro in Gefahr ist, sondern die Toleranz. Tun Sie etwas! Grenzen Sie sich von denen ab, die sich mit den Hetzern Kompromisse schließen und erschaffen Sie obligatorische Normen, die die Freiheit der BürgerInnen Europas garantieren!“ (...)

Abschließend sei auf den wertvollen multikulturellen Dialog des institutionalierten Forums »für die Findung, Erkennung, Erschaffung und Erhaltung der Visionen und Perspektiven im künstlerischen und literarischen Sinne« KuuL in Wien hingewiesen:

KuuL : Forum für Kunst und Literatur ( web: http://www.kuul.at/ )

Seit geraumer Zeit versuchen die ambitioniert programmierenden Verantwortlichen dieser ungewöhnlichen Denk- & Kunstwerkstatt mutig und verantwortet ästhetische wie kulturpolitische Akzente der Toleranz zu positionieren.
Einzigartig ist z.B in diesem Zusammenhang das Bemühen um die umfangreiche Farsi-Sammlung in der Wiener Hauptbücherei: eine seit 2006 zusammengestellte frei öffentlich zugängliche Bücher-Collektion iranischer Gegenwartsliteratur.
Der Autor dieser Zeilen erlaubt sich in diesem Zusammenhang folgenden Literaturhinweis, welcher dem lesenden Hörer, dem hörenden Leser, dem stets kritisch abwägenden Lost & Found-Publikum ein differenziertes Erscheinungsbild z. B. einer islamischen Welt-, Kultur- & Kunsterfahrung ermöglicht:
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Islam
Kunst und Architektur
Herausgegeben von Markus Hattstein und Peter Delius
Tandem Verlag, 2005/7
ISBN 978-3-8331-6103-2
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(re_de)

Eintritt: Pay as you wish an der Abendkassa bzw. 7,50.- € im VVK inkl. Sitzplatzreservierung