Sabine Bauer / Keramik - Der Ton hat Gedächtnis
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Ausstellung: Sabine Bauer / Keramik
DER TON HAT GEDÄCHTNIS / Billie Holiday »Left Alone«
EIN SCHILD,
DARAUF EIN TEXT,
EINGEPRÄGT,
ZERBRICHT.
ALLE TEILE DURCHLAUFEN VON DA AN
DEN SELBEN (PRODUKTIONS-)WEG,
ABER EINZELN, JEDER TEIL FÜR SICH:
TAUSENDZWEIHUNDERT GRAD GEFRORENER RHYTHMUS.
AM ENDE FÜGEN WIR DIE TEILE WIEDER ZUSAMMEN
KANN ES NACH ALL DEM WIEDER EIN GANZES WERDEN?
WIEVIEL AN KRAFT & SPANNUNG IST (NOCH) DA?
IST ETWAS VERLOREN GEGANGEN?
(Sabine Bauer)
• Fast hat unsere Zeit, welche fortschritts(f)reudig ungehemmt riesige Müllhaufen von industriell gefertigten Gegenstände produziert, fast haben es »Masse & Macht«, die »Haupt- & Selbstdarsteller« der unierten Kunst- & Kulturbetriebe vergessen: Die Keramik zählt zu den ersten Beispielen kunstvoll gestalteter Objekte aus der Frühzeit der Menschheit.
Fast.
Sabine Bauer ist eine Meisterin der 1200°C-Brände. Unbeirrt von all jenen angesagt zeitgeistig kunstkonzeptuellen Wahn- & Dreistigkeiten beschäftigt sich die junge Künstlerin täglich mit dichtem und porösem Scherben: Ein faszinierendes »Hand-Werk«, zu dessen erfolgreicher Ausübung enormes Materialwissen, kunstvolle Hand- & Fingerfertigkeiten wie eine in jeglicher Hinsicht belastbare Geistes- & Geduldsfähigkeit die unabdingbaren Voraussetzungen bilden.
Auch möchte der Autor dieser Zeilen in diesem Zusammenhang den geneigten Leser an jene bemerkenswerten Bedenk-Verortungen des mexikanischen Nobelpreisträgers Octavio Paz erinnern:
»Für den industriellen Gegenstand gibt es keine Wiedergeburt: Er verschwindet ebenso schnell, wie er erschienen ist. Hinterließe er keine Spuren, wäre er wirklich vollkommen; doch leider hat er einen Körper, und wenn er einmal ausgedient hat, wird er schwer zu vernichtender Abfall.
Die Indezenz des Mülls ist nicht weniger pathetisch als die falsche Ewigkeit des Museums. Der Gegenstand des Handwerks will weder Jahrtausende dauern, noch ist er davon besessen, bald zu vergehen. Er vergeht mit der Zeit, begleitet unser Leben, nutzt sich allmählich ab, sucht nicht den Tod, aber negiert ihn auch nicht: er nimmt ihn hin. Zwischen der zeitlosen Zeit des Museums und der beschleunigten Zeit der Technik ist der Gegenstand des Handwerks das Pulsieren der menschlichen Zeit.
Er ist ein Gebrauchsgegenstand, doch einer, der auch schön ist; ein Gegenstand, der dauert, doch der endet und sich damit abfindet, dass er endet; ein Gegenstand, der nicht einzig ist wie das Kunstwerk, sondern ersetzt werden kann durch einen anderen Gegenstand, der ihm ähnelt, doch nie der gleiche ist.
Das Werk des Handwerkers lehrt uns zu sterben und somit zu leben.«
Herzlich Willkommen!
p.s.: Folgende Basisinformationen sind für den »Public-Domain-Besucher« vielleicht von Interesse und (u.a.) im grossen Kunstlexikon von P.W. Hartmann nachzulesen:
»Keramik, von griechisch keramos, "Töpfererde", und keramike (techne), "Töpferkunst".
Bezeichnung für Erzeugnisse aus gebrannten ton- bzw. kaolinhaltigen Grundstoffen sowie für die Technik ihrer Herstellung, die Töpferkunst. Je nach der Dichte des Ausgangsmaterials, d. h. nach ihrer Wasseraufnahmefähigkeit, unterscheidet man zwischen Produkten mit dichtem Scherben (Porzellan, Steinzeug u. dgl.) und solchen mit porösem Scherben (Fayence, Steingut und Terrakotta), die erst durch die Glasur wasserdicht werden. Bisweilen wird auch von so genannten sonderkeramischen Werkstoffen gesprochen, wie z. B. Steatit.
Bei frühen Erzeugnissen erfolgte der Dekor durch Einpressen von Zierformen in die noch feuchten Tonwaren (Bandkeramik, Schnurkeramik etc.), in späterer Zeit auch durch Anguss (Engobe, Schlicker) und durch Bemalung (Aufglasurfarbe, Muffelfarbe).«
(renald_deppe)