Stucky / Doran / Tacuma / Studer 'Call Me Helium - The Music of Jimi Hendrix' (CH/USA)
Erika Stucky: vocals, toys
Christy Doran: guitar
Jamaaladeen Tacuma: bass
Fredy Studer: drums
Sorry this part has no English translation
„When things get too heavy, just call me helium, the lightest known gas to man.“
Jimi Hendrix ließ diesen Satz in seinem letzten Interview fallen, eher beiläufig, mit einem Lächeln auf den Lippen. Am 11. September 1970 klagte der Gitarrist gegenüber dem Journalisten Keith Altham darüber, dass alles mittlerweile so kompliziert, so schwer wäre. Deshalb wolle er eigentlich wie Helium sein, jenes Gas, das sieben Mal leichter ist als Luft. Nur eine Woche später flog Hendrix tatsächlich davon, leicht wie ein Heliumballon, mitten hinein in die Unendlichkeit.
„This man really was a gas!!!!!!“, adelt ihn die Sängerin Erika Stucky fast 45 Jahre später unter euphorischer Betonung der sechs Ausrufezeichen, wobei das Wörtchen „gas“ in diesem Zusammenhang auch mit „Spaß“ oder „Genuss“ gleichgesetzt werden kann. Mit dem Gitarristen Christy Doran, dem Drummer und Perkussionisten Fredy Studer und der E-Bass-Legende Jamaladeen Tacuma setzt sie nach genau einem Jahrzehnt den Bau eines klingenden Denkmals für Hendrix fort. Die drei Schweizer haben dafür 2005 mit der Live-CD „Jimi“ (Double Moon Records DMR 71048) schon einen bemerkenswerten Grundstein gelegt, damals allerdings noch mit Mrs. Kim Clarke am Bass. „Wir wollten unbedingt mal eine Studio-Aufnahme machen. Dafür haben Erika, Fredy und ich uns über ein Jahr lang vorbereitet, uns jeden Monat einmal getroffen, Ideen kreiert, Sachen ausprobiert“, erklärt Christy Doran die Motive für das ehrgeizige Projekt. Auf keinen Fall ging es der eidgenössisch-amerikanischen Allstarband darum, das Werk des Meisters kompliziert zu verjazzen. „Wir versuchen den Spirit und die Energie seiner Musik rüberzubringen, mit der Erfahrung heutiger Musik“, betont Doran.
Herausgekommen ist dabei ein Album, das erfrischend vital dahinrockt, ohne jedoch in die gängigen oberflächlichen Muster des Genres zu verfallen. Dies liegt vor allem an den 7/8- und 5/4-Takten, den hoch komplexen Akkorden, die Doran auf der Stratocaster erzeugt, dem virtuosen und zugleich melodischen Bassspiel des Ornette-Coleman-Jüngers Tacuma, das alle Reminiszenzen an Noel Redding innerhalb eines Taktes vom Tisch wischt, sowie den verschachtelten, dämonisch gehetzten Grooves von Studer, bei dem alles – getreu dem Hendrix´schen Motto – dennoch leicht und nachvollziehbar klingt. „Fredy ist ein Rhythmenfresser“, charakterisiert Erika Stucky ihren Kollegen. Dass die Vier neben Hendrix-Klassikern wie „Hey Joe“, „Gipsy Eyes“, „Foxy Lady“, „Machine Gun“ oder „Bold As Love“ auch Zitate aus der Flower-Power-Zeit von den Beatles („Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band“), dem Musical „Hair“ oder von Crosby, Stills & Nash, den Urvätern der „Singer-Songwriter-Bewegung“ („Teach Your Children“) verweben, liegt in erster Linie an der schrillen, extravaganten Vokalistin. „Das muss ich auf meine Kappe nehmen. Ich hab all diese Quotes so gefressen, dass ich sie heute noch ausdünste. Das liegt daran, dass ich meine ersten zehn Lebensjahre in San Francisco verbrachte. Für mich war ´Call Me Helium` ein Griff zurück in meine Kindheit, in der ich all diese farbigen Kleider und Klingelingel-Armkettchen trug. Jimis Texte sprachen mich dazumal auf der Kids-Ebene an: Let´s take a ride on my dragonfly. Ach, welches Kind wäre nicht gerne auf einer Libelle geflogen?“
Vieles klingt hier zwar ziemlich original, doch im Prinzip ist alles anders. Die Crux der wiederauflebenden Hendrix-Hommage liegt in den liebevollen Details, in winzigen Brüchen, die eine völlig andere, individuelle Erfahrungswelt in diese Musik einkehren lassen und den Bezugsrahmen leicht, aber unverkennbar verschiebt. Wer „Call Me Helium“ nur als Nostalgietrip zurück in die seligen Woodstock-Zeiten wahrnimmt, der übersieht, dass Doran, Stucky, Studer und Tacuma im Prinzip dem Visionär Jimi Hendrix huldigen. Auf ihre ureigene Art geben sie dessen vielfältigen musikalischen Ideen auf der Schnittstelle zwischen der großen Bühne des Pop und dem gedimmten Kellerlicht der modernen Avantgarde kräftig die Sporen. (Pressetext)