Tue Feb. 9, 2016
20:30

Joyce Moreno & Kenny Werner Duo 'Poesia' (BRA/USA)

Joyce Moreno: vocals, guitar
Kenny Werner: piano

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Wenn sich eine der Grandes Dames der Musica Popular Brasileira, Joyce Moreno, und ein intuitiver US-amerikanischer Pianist, Kenny Werner, zusammen tun, weckt dies die Hoffnung, Besonderes könnte entstehen.
Oft genug enttäuschen Projekte jener Art, da man erwartet, mit Krampf und Zwang muss Qualität das Ergebnis sein; oder man spekuliert einfach, dass zwei berühmte Namen mehr Einnahmen produzieren als einer. Bei der CD "Poesia" kann man ganz sicher beide angeführten Kontraargumente löschen! Moreno und Werner wählten für ihr Album mit Bedacht mehr oder weniger bekannte 13 Balladen, um den Liedern auf den Grund zu gehen, ihre absolut ungeschminkte, reine Aussage zu erfühlen und wiederzugeben. Die Honorigkeit der 1948 in Rio de Janeiro geborenen Joyce Moreno ist unbestritten. Ihre Karriere zieht sich über 60 Jahre; schon mit 16 nahm sie eine erste Platte auf. Als Sängerin, Gitarristin und Komponistin leitet, beeinflusst und unterstützt sie eine Vielzahl von brasilianischen KünstlerInnen, die in ihrem Sog auch eine internationale Karriere, vorrangig in den USA, starteten. Dazu kommt, dass Moreno als Buchautorin, Fernsehmoderatorin ("Cantos do Rio") und Kulturjournalistin in Brasilien eine Populariät sondergleichen inne hat. Verheiratet mit dem Produzenten und Drummer Tutty Moreno reüssiert Joyce in Brasilien immer wieder mit kreativen Aktionen verschiedenster Art und begleitet prominente KollegInnen in einem uneingeschränkten Bemühen. Stars wie Maria Bethania, Elis Regina oder Milton Nascimento interpretierten u.a. immer wieder Kompositionen aus Morenos Hand und machten sie weltweit populär. Immer wieder zweigt Joyce von ihrem Pfad der populären brasilianischen Musik ab und spielt als virtuose Gitarristin im Genre einer Jazz-Fusion brasilianischer Ausprägung.
Dass Moreno mit dem etwas jüngeren Pianisten Kenny Werner "Poesia" zustande brachte, beruht natürlich, wie alles im Leben, auf Zufälligkeiten, die ehest bald durch Gemeinsamkeiten und gegenseitige Bewunderung zu speziellen kreativen Schöpfungen führen. Kenny Werner, ein seit Jahrzehnten maßgeblicher New Yorker Jazz-Pianist mit perfekter Technik und tiefer Spiritualität, ist natürlich genau jener Musiker, der Morenos berührenden Gesang einfühlsam und in einer harmonischen Bescheidenheit begleiten kann. Werner ist wohl dem Jazz-Publikum durch seine Kooperationen mit Mel Lewis, Toots Thielemans oder Joe Lovano bestens bekannt und genießt hohe Anerkennung. Um Kenny von einer anderen Seite kennenzulernen, sei auf sein Trio-Album "The Melody" (Pirouet Records, 2015) verwiesen. Joyce traf Werner schon Ende der 80er Jahre in New York und war von ihm begeistert. Kenny jammte damals mit einer brasilianischen Band und bewies Moreno, wie optimal er diese Musik verstand und emotionell am Klavier nachempfinden konnte. Mit dem Vorsatz, die 13 schönsten Balladen, natürlich extrem subjektiv gemeint, auf einer CD zu sammeln, begab man sich in New York ins Studio und erfreute sich an einem raschen, sehr positiven Ergebnis. Neben nur 2 Eigenkompositionen, "Second Love Song" und "Novelo", bediente man sich am Great American Songbook von Kollegen wie Noel Coward, Abbey Lincoln oder Charlie Chaplin ("Smile") oder Brasilianischem etwa von Antonio Carlos Jobim, Edu Lobo oder Caymmi/Pinheiro. Für das Hören dieser Songs mit viel Dramatik und überwältigenden Emotionen braucht man Ruhe, Zeit und kontemplative Offenheit. (Ernst Weiss, Concerto)