Kompositionen von Schayan Kazemi (IR/A)
Klänge aus dem Quadrat
Petra Wurz: Kontrabassblockflöte
Die Bauspalten
Für Percussion und Flügel
Fabio Kapeller, Schayan Kazemi
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• In der Anthropologie heißt es, der Mensch sei eine Variante des Schimpansen, die es geschafft hat, weit intelligenter zu werden, als es ein Affe gewöhnlich ist. Dank dieser Tatsache sei es dem Menschen möglich, in die Welt hinauszuziehen und sich fremden Wind um die Nase wehen zu lassen.
Mensch zu sein bedeutet, zu emigrieren: Wir sind alle Emigranten - oder Kinder, Enkel, oder Urenkel von Emigranten. Unsere Spezies erblickte irgendwann im Osten Afrikas das Licht der Welt und emigrierte von dort an entlegene Orte, von China bis Kalifornien, von Grönland bis Patagonien, und natürlich nicht zu vergessen: Bis Europa. Die Ureinwohner, die stolz darauf sind, seit Jahrhunderten dort zu leben und sich nie von der Stelle bewegt zu haben, während andere kommen und gehen, zeigen damit keine Überlegenheit gegenüber den Reisenden, sondern eine törichte Sehnsucht nach ihrer Vergangenheit als Menschenaffe.
Wären wir nicht von Natur aus Emigranten, wäre es um das, was wir als »Menschheit« bezeichnen, schlecht bestellt.
Wie sollen wir heute Emigranten aufnehmen? Als Artgenossen, die uns einen riesigen Gefallen tun und uns daran erinnern, worin Menschlichkeit besteht. Der Grieche Plutarch schreibt, dank dieser zufälligen Begegnungen mit Fremden begreift unsere Seele, was sie ist - nämlich wesenhaft fremd - und was sie zu erwarten hat, nämlich Gastfreundschaft. Denn wir haben alle einmal die Erfahrung gemacht, dass wir uns schutzlos im Unbekannten befinden: »Geboren zu werden bedeutet immer, in ein fremdes Land zu kommen.« Zweifellos kann die derzeitige Einwanderungsflut in den wohlhabenden Ländern für Chaos sorgen. Doch wird man schlecht unterbinden können, dass die Medien überall verbreiten, wie Menschen andernorts leben und vor allem, wo es sich besser leben lässt. Es ist daher nur natürlich, dass viele Benachteiligte aus anderen Breiten bei uns ihr Glück versuchen wollen. Emigranten hat es immer gegeben, und ihre Zahl wird nicht ausgerechnet in dem Jahrhundert abnehmen, in dem man sich mit einem Knopfdruck oder Klick über die sozialen Bedingungen in anderen Ländern informieren kann und in dem es an Transportmittel nicht mangelt.
Im Allgemeinen wollen die, die zu uns kommen, vor dem Elend in ihrem Land fliehen, selbst wenn sie wenig von den Vorzügen unseres relativen Wohlstandes wissen: Sie werden nicht vom Licht angezogen, sondern die Triebfeder ist die Dunkelheit, aus der sie fliehen. Natürlich würden viele, wenn die Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsland besser wären, lieber dort bleiben. Folglich ist Entwicklungshilfe für die Länder mit einer starken Auswanderung eine vernünftige Politik, um diese Ströme einzudämmen: Es ist weder klug noch anständig, unsere Solidarität mit den Benachteiligten in alle Welt zu posaunen und gleichzeitig eine protektionistische Politik zu fördern, durch die die Rohstoffe, die in vielen Breiten die einzigen Ressourcen sind, nicht auf unseren Markt gelassen werden. Aber es handelt sich nicht um ein rein wirtschaftliches Problem. Das Hauptübel ist, dass es in vielen Nationen keinen funktionierenden Staatsapparat gibt, der eine wenn auch nur minimal ausgewogene Verteilung der nationalen Bodenschätze garantiert, ebenso wie Gesetze, die Raubbau verhindern. Die Emigranten, die in unsere Länder kommen, suchen - oft mehr als Unterstützung und Arbeit - nach einer Möglichkeit, Zutritt zur bürgerlichen Gesellschaft zu erhalten. Wer unter uns dem Wort misstraut oder seine revolutionäre Tragweite herunterspielt, sollte mal diese Vertriebenen fragen, was das wirklich bedeutet...
Es liegt auf der Hand, dass rechtliche Anerkennung der Einwanderung und ihre humanistische Wertschätzung nicht bedeutet, dass es keine Regulierungsmechanismen geben darf: Großzügige und laxe Kontrollen begünstigen nur Menschenhändler, Arbeitgeber, die billige Lohnsklaven suchen, und ausländerfeindliche, ultranationalistische Agitatoren und führen zu nichts. Zweifellos ist es ein Vorurteil, »Einwanderer« mit »Kriminellen« gleichzusetzen, doch angesichts des traurigen Schicksals vieler Illegaler, die der Mafia wegen eines fehlenden Arbeitsschutzes ausgeliefert sind, hat diese Aussage manchmal durchaus ihre Berechtigung.
(Ein anders gelagerter Fall sind die ausländischen Verbrecher, die wie Heuschrecken über unser Land herfallen, weil sie satte Beute machen wollen. Die gibt es, natürlich, sogar in Hülle und Fülle, aber das sind keine Einwanderer, sondern Invasoren.)
Kann man von den Einwanderern verlangen, dass sie bestimmte Bedingungen zur Integration in unser Land erfüllen müssen?
Auf jeden Fall.
Keiner verlangt von ihnen, dass sie ihre ursprüngliche Kultur (aus der sie fliehen) in allen Punkten ablegen, aber in denen, die den im Aufnahmeland geltenden Verfassungsprinzipien und den grundlegenden Menschenrechten zuwiderlaufen. Sie haben selbstverständlich das Recht - denn das ist eine Bereicherung unserer Kultur - ihre Folklore, ihre Küche, ihren Glauben etc. öffentlich auszuleben und mit uns zu teilen.
Das heißt, sie können Formen ihres ursprünglichen Gemeinschaftslebens mitbringen, solange sie mit dem Rechtsstaat in Einklang gebracht werden können. Sie dürfen sie uns aber nicht in Bereichen aufzwingen, die mit den demokratischen Freiheiten unvereinbar sind. Auch in unseren Ländern gab es in der Vergangenheit traditionelle Lebensformen (hierarchische, theokratische usw.), die durch revolutionäre Umwälzungsprozesse der Moderne abgeschafft wurden, Es wäre absurd, diese wieder aufzunehmen und sie als unantastbare Importfetische zu ehren.
Tzwetan Todorov hat es treffend gesagt: »Zu einer Gemeinschaft zu gehören ist gewiss ein Recht des Individuums, aber auf keinen Fall eine Pflicht; die Gemeinschaften sind im Schoß der Demokratie willkommen, aber nur unter der Bedingung, dass sie nicht Ungleichheit und Intoleranz erzeugen.«
Fernando Savater
Eintritt: Pay as you wish an der Abendkassa bzw. 7,50.- € im VVK inkl. Sitzplatzreservierung