Sat Sept. 14, 2019
20:30

Bill singt Weill 'I'm a stranger here myself' (A)

Maria Bill: vocals
Leonhard Skorupa: alto saxophone, clarinet
Andi Tausch: guitar
Gregor Aufmesser: bass
Konstantin Kräutler: drums

Sorry this part has no English translation

Seit ihrer Darstellung der ‚Anna‘ in „Die sieben Todsünden“ am Wiener Volkstheater, ist Maria Bill fasziniert und begeistert von den Werken des Komponisten Kurt Weill, von der Vielfalt seiner Tonsprache, die auf Elemente aus Jazz, Ballade, Moritate und Kabarettchansons greift, von seinem Gespür für den musikalischen Zeitgeist, für rebellisches, experimentelles Theater und atonale Musik. Ihr neues Programm „I'm a stranger here myself“ zeichnet den Schaffensweg des genialen Instrumentalkomponisten, Songschreibers und Weltbürgers.

Als Sohn eines Kantors in 1900 Dessau geboren, wächst Kurt Weill in der deutschen spätromantischen Musiktradition auf. Die Begegnung mit Bertolt Brecht im Berlin der 1920er und 30er Jahre lenkt sein Schaffen in neue Bahnen. Gemeinsam mit Brecht, dem kongenialen Autor mischt er das Musiktheater auf und treibt sein Publikum mit seinen sinnlichen, aber ungewohnten Tonfolgen zwischen begeisterter Hysterie und Skandal- schreiender Empörung hin und her. Auf den Bruch mit Brecht folgt die Flucht vor der nationalsozialistischen Diktatur. Seine Partituren landeten auf dem Scheiterhaufen der Nazis. Über Paris, wo eine letzte eine Zusammenarbeit mit Brecht und Lotte Lenya „Die sieben Todsünden“ entstand, führt ihn sein Weg nach New York. Virtuos nutzt er die kulturelle Vielfalt des ‚american way of life‘ und findet auf seinem Spezialgebiet, dem Musiktheater, zu seinen enormen, bisher schlummernden musikalischen Möglichkeiten. Er heiratet die Sängerin Lotte Lenya zum zweiten Mal, liebt den Broadway, taucht in das Genre Musical ein, beglückt die Menschen mit herrlichen Melodien und gilt heute als Missing Link zwischen George Gershwin und Leonard Bernstein. Brecht hielt gar nichts vom neuen Weill. Der aber hatte eine andere Devise: "Es gibt kein Unterschied zwischen U- und E-, zwischen Unterhaltungs- und ernster Musik. Sondern nur zwischen guter und schlechter Musik." (Pressetext)

Gedanken zu Kurt Weill
Was mich persönlich an der Musik Kurt Weills fasziniert

Auf einer griechischen Insel habe ich Musik von Kurt Weill für mich erarbeitet, eine lustvolle Herausforderung. Das Lied „Youkali“ hat mich verzaubert, ein Lied, das von einer Insel erzählt auf der man keine Ängste spürt, die Freiheit lebt und Liebe teilen darf, eine Insel der Sehnsucht und Hoffnung. Kurt Weills Musik für mich zu entdecken, hat richtig „gezündet“. Kompositionen wie „Die sieben Todsünden“ sind voller Überraschungen und eigenwilliger Tonsprünge, die sich für mein Ohr zuerst listig anhören, dissonant. Diese ungewohnten Harmoniefolgen und Intervalle zu „verstehen“ und zu erobern, hat mir richtig Spaß gemacht und oft ein verblüfftes Lachen ausgelöst: „Es geht sich ‘trotzdem‘ aus.“ Wenn ich dann spürte, dass mein musikalisches Gehirn eine Melodie gespeichert hat und diese wie selbstverständlich „abrufbar“ war, dann war es beglückend, das Lied als ‘meines‘ zu singen.

Worin liegt für mich der Unterschied zwischen dem Songstil der Goldenen Zwanziger Jahre, aus der Exilzeit in Frankreich und seinen späteren Stücken in den USA

Der Unterschied zwischen den Kompositionen und Liedern Weills bis 1933 inklusive der Zeit in Frankreich und seinen Werken ab 1935 in den USA liegt hauptsächlich an den Textvorlagen, an den Libretti und den damit verbundenen Inspirationen, Anforderungen und Erwartungen an den Komponisten. Die Arrangements der Songs in den USA wurden im Gegensatz zu den vertonten Texten von Bertolt Brecht gefälliger arrangiert und kamen dadurch dem Genre Musical näher und dessen Publikum entgegen. Zum Teil stammen sie auch nicht aus Kurt Weills Feder. Songs wie „I'm a stranger here myself“, „September“ und „Speak low“ die so typisch sind für Weill, wurden mittlerweile berühmte Standards und gehören für mich mit zu seinen schönsten Melodien.

Und gerade die Mischung aus Liedern mit einer klaren Aussage, mit harten, sozialpolitischen, zynischen und provokanten Texten, wie Weill sie mit und für Brecht geschrieben hat, und den Songs aus Musicals, die Gefühle zulassen, mit Lyrics z.B. von Ira Gershwin oder Ogden Nash, - diese Mischung machte es für mich besonders reizvoll, den Abend „I‘m a stranger here myself“ mit seinen Kompositionen zusammen zu stellen.

Und querfeldein, wie sich Kurt Weill durch die musikalischen Genres treiben ließ, bin ich auf dem Moped singend über die griechische Insel geflitzt und habe dabei mein „Youkali“ entdeckt. (Maria Bill, Wien, Januar 2019)