Sorry this part has no English translation
FR 08. & SA 09. März 2024
Musik für einen imaginären Tagtraum & Manege unter Strom
Personale: WAYNE HORVITZ
1.Tag: Wayne Horvitz „Sweeter Than The Day” feat. Koehne String Quartet
Wayne Horvitz (p, composition), Francesco Bigoni (ts), Danilo Gallo (b), Zeno De Rossi (dr)
Koehne String Quartet: Joanna Lewis (v), Anne Harvey-Nagl (v), Lena Fankhauser (viola), Melissa Coleman (cello)
2. Tag: Wayne Horvitz´ Electric Circus
Wayne Horvitz (concept, composition), Sara Filipova (voc), Florian Sighartner (v), Dominik Fuss (tp), Max Nagl (as), Francesco Bigoni (ts), Stepan Flagar (bs), Philip Yaeger (tb), Peter Rom, Martin Siewert (e-g, electronics), Benny Omerzell (keys), Beate Wiesinger (e-b), Danilo Gallo (acc-b), Lukas Koenig (dr), Andras Dés (perc)
Das Feature stellte einen Musiker in den Mittelpunkt der in den 1980er Jahren, neben Hauptprotagonist John Zorn, eine weitere zentrale Figur der radikalexperimentatorischen NYer Downtown –Szene war und die damals geborene „Noise Music“ mit auf den Weg brachte. Der hauptsächlich an Keyboards werkende Horvitz war auch einer der ersten der die Sampling-Technik relevant in den Jazzkontext einspeiste. In einer Fülle von Projekten brachte er diese Ästhetik zu origineller Reife. Neben der Mitwirkung in John Zorns zeitraffender Brachialkombo Naked City, war sein eignes Gegenentwurf-Projekt „Nine Below Zero“ mit Butch Morris und Bobby Previte sein herausragender Kreativwurf jener Zeit. Auch Horvitz ist wie Zorn ein stilistischer Kosmopolit, der sich seinen eigenen Raum schöpferischer Arbeit geschaffen hat. Im Brennpunkt steht dabei feinstoffliche Melodik und eine Songstruktur in der sich gradlinige Motive komplex vernetzen. Das wiederum verdeutlicht, dass Horvitz keine Themen Komponiert sondern Stücke. Der Jazz-Moderne verbunden, aber nicht dogmatisch. Improvisatorische Bewegungsfreiheit wird darin nicht überbordend angestrebt sondern deklariert sich als Konzentrat des texturierten Kalküls.
Horvitz teilte den ersten Abend in die Umsetzung von Quartett-Stücken mit seiner Band „Sweeter Than The Day“, in der europäischen Ausführung mit italienischen Musikern, einerseits und in „Doppel-Quartett“-Stücke, zuzüglich Streichquartett, andererseits auf. Eröffnet wurde der Reigen mit einer Streichquartett-Fuge, realisiert vom wiederum famosen Koehne Quarte, deren Solo-Kadenz für Violine die großartige Joanna Lewis zelebrierte. Horvitz zeigt sich in der Streichquartett Tradition gleichfalls sattelfest. Mit individueller Formgebung. Gewandet in einer Art kontrapunktisch gewitzter romantischer Seriellität. Es folgten Kompositionen in denen sich Horvitz´ polyphone Schicklichkeiten in der Zusammenführung jazzaffiner Klangqualitäten mit jenen klassikidiomatischer Kammermusik potenzierten. Geschmeidige Fließbewegungen resultierten daraus, die makrostrukturell an Morriconeische Dramaturgie erinnern, ohne wiederzukäuen, mikrostrukturell eigene Schnitte und gerafftere Intervallik aufbieten. Tempomäßig kostet die Musik den Moderato-Modus aus.
Solistisch gipfelwärts strebten neben Horvitz, der sich ausschließlich am Flügel betätigte, mit, analog zu seinen Kompositionen, präziser Architektur und gebotener Ausdrucksbreite im Spannungsfeld von Pan-Tonalität, mit gleicher Passion Bigoni an Tenor und Klarinette und Bassist Gallo. Der Tenorist war mit seinem eingewebten mediterranen Melodiefundus eine aufregende Begegnung. Unwiderstehliche Musik von trockener Schönheit.
Am Folgeabend erschallte alles rund um Horvitz´ großformatiges Denken und dem eingeschriebenen Organisationsprinzip. Vorwiegend in eigene Kompositionen verpackt aber auch in findigen Neuarrangements von Fremdkompositionen (Art Ensemble Of Chicago, Sun Ra). Hiefür hat er zusätzlich zu konventioneller Notation ein von Butch Morris´ „Conduction“-Prinzip inspiriertes Handzeichensystem erschaffen. Auf dem Humus rhythmischer Energie und Artikulation des Funk mit den bedingenden schneidenden Riffs, gekoppelt mit satter Triebsamkeit der Hooklines. Entlang dieser Schnur sortiert und arrangiert Horvitz die Texturen, unüberhörbar in eigenwillige Voicings gegossen. Irrwitzige Off-Beat Implikationen vergnügen sich neben bohrender Bläsersatz-Simplizität. Harmonisch immer wieder tricky geführt. Subsummiert mit einem Sound wuchtiger Volltönerei von expliziter Durchlässigkeit. Beeindruckend ins Leben geholt von einem handverlesenen Ensemble profunder Persönlichkeiten aus dem hochklassigen Pool der österreichischen Szene, in auffällig anderer Instrumentierung. Nachgerade phantastisch waren auch deren solistische Euphorien. Da war einmal der flirrende Kontrast zwischen der Coolness von Peter Rom und der klanglichen Obsession von Martin Siewert, Florian Sighartner hing seine Geige in den Himmel, Max Nagl lehnte sich inbrünstig ganz weit aus dem Fenster, Benny Omerzell orgelte mit aufsteigendem Hitzegrad, Dominik Fuss zerschnitt exzessiv die Luft, Stepan Flagar zog voluminös kehlig die Register, Yaeger posaunte alle möglichen Funken hinaus. Die Rhythmusfraktion Koenig/Dés und Wiesinger/Gallo ließen eine derartige Zugkraft vom Stapel, dass das FUNKensprühen übergebührliches Vergnügen bereitete. Und die präsente Altstimme von Sara Filipova flanierte verbal wie nonverbal superb zwischen den Klangereignissen hin und her. Unaufdringlich, vom beeindruckenden Bandsound, umwerfenden Interaktionsniveau eingehüllt, lenkte Horvitz, total angetan, mit seiner „Zeichensprache“ die Intensitätsebenen der Dramaturgie. Zum Drüberstreuen packte er dann noch die Bluesharp aus, hinreißend. Grand Funk!
p.s.: Man kann es gar nicht hoch genug wertschätzen die Möglichkeit zu haben, einer solch relevanten Werkschau eines Künstlers beiwohnen zu können. Chapeau Porgy & Bess.