Fr 28. Oktober 2022
20:30

James Blood Ulmer Music Revelation Ensemble (USA)

James Blood Ulmer: guitar
Mark Peterson: bass
Grant Calvin Weston: drums

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Keine Rettung vor dem elektrischen Blues – das ist die Botschaft der US-amerikanischen Gitarrenlegende JAMES BLOOD ULMER. Doch sentimentaler Retro-Blues ist seine Sache nicht – Ulmers Musik ist ein Ereignis, das man niemals wieder vergisst, hat man sich ihm einmal ausgesetzt. Die Energie für seinen Blues bezieht James „Blood“ Ulmer nach wie vor aus Free Funk und dem harmolodischen Konzept Ornette Colemans.

Neben der Arbeit mit seinem Trio (zumeist mit dem Drummer Calvin Weston und dem Bassisten Amin Ali) spielte Ulmer unter anderem mit Dionne Warwick, Chuck Jackson, George Adams, John Patton, Art Blakey, Paul Bley, Larry Young, Joe Henderson, Pharoah Sanders, David Murray, John Zorn, Vernon Reid, Amina Claudine Myers, Bill Laswell, James Carter und dem World Saxophone Quartet.

Auch wenn das zwölftaktige Bluesschema Allgemeinbesitz ist, und es im Blues jede Menge Klassiker gibt, die Ulmer-Songs sind Originale, auch was die Texte angeht. Seine Geschichten handeln von „Double Trouble“, vom Bösen in Dir („Evil“) und natürlich von „Money“. Letztlich spricht Ulmer aus, was alle denken: „I want to be loved“. Das Melancholische und Fatalistische, das dem Blues seit seiner Geburt auf den Baumwollfeldern Amerikas anhaftet, ist nicht Ulmers Ding. Sein Blues ist aggressiv, bestimmend und aufbegehrend. Die „Miami New Times“ schreibt: „Ulmer singt, als lägen noch 20 Meilen einer wirklich üblen Straße vor ihm“. Man kann aber auch genauso gut sagen: James Blood Ulmers Musik ist der Schrei nach einer Welt ohne den Blues.

Nach Wien kommt der Ausnahmegitarrist mit Mark Peterson am Bass und Calvin Westin am Schlagzeug. (Pressetext)

JAMES „BLOOD“ ULMER: Blues ohne Notausgang (von WOLFGANG SANDNER)

Spitz, scharf, klirrend: Der Gitarrist James „Blood“ Ulmer hat von den Besten gelernt und zwischen Blues und Funk seinen eigenen Stil und Sound entwickelt. Heute wird er achtzig.

So leicht entrinnt man den Marktgesetzen nicht. Selbst ein Etikett abzulehnen schützt nicht vor Etikettierung. Auch der Gitarrist James „Blood“ Ulmer musste diese Erfahrung machen. Nachdem er mit dem Music Revelation Ensemble 1980 das grandios chaotische Jazzalbum „No Wave“ veröffentlichte, musste er sich gefallen lassen, zur Welle der Nicht-Welle gezählt zu werden, die ein paar Jahre zuvor als ironisch-bissige Gegenbewegung zur musikalisch sanft dahinsäuselnden New Wave entstanden war.

Es hätte schlimmer für ihn kommen können. Denn irgendwie passt die Offenheit der Kennzeichnung doch ganz gut zum stilistischen Sammelsurium, aus dem der immer auch ein wenig wie ein Mystiker aus dem tiefen Süden der Vereinigten Staaten auftretende Musiker sich bedient.

Gospel, Blues, Rhythm & Blues, Bebop, Free Jazz, Soul, Funk, Rock – alles blitzt auf, wenn Ulmer mit einer altmodischen Daumentechnik seine unorthodox gestimmte E-Gitarre anreißt, dazu singt und dabei klingt, als wolle er instrumental Kenny Burrell mit Jimi Hendrix und Chuck Berry und vokal James Brown mit Aretha Franklin und Lightnin’ Hopkins aussöhnen. Unter den vielen E-Gitarristen im Grenzbereich von Jazz, Blues und Funk – „Free Funk“ ist ein weiteres Etikett, das man seinem Spiel verpasst hat – gehört er sicherlich zu den originellsten. Vor allem auch zu denjenigen mit einem charakteristischen Sound, den man sonst von keinem der großen Stilisten auf dem Instrument zu hören bekommt.

Bei seiner ersten Aufnahme „Revealing“, die er mit dem Saxophonisten George Adams, dem Bassisten Cecil McBee und dem Schlagzeuger Doug Hammond unter eigenem Namen 1977 herausbrachte, klingt er noch so, wie man es von einem Eingeweihten in die Geheimnisse der Harmolodics von Ornette Coleman erwartet: avantgardistische Jazzphrasierung jenseits funktionaler Akkordfortschreitungen. Die Aufnahmen, die danach entstanden, etwa „Tales of Captain Black“, Are You Glad to Be in America?“, „No Escape from the Blues“ oder die ungeheuerlichen Mitschnitte aus der New Yorker Knitting Factory der neunziger Jahre, zeigen einen Dämon an der Gitarre. Alles klingt spitz, scharf, schneidend, kantig, klirrend, dröhnend. Ein aberwitziges Staccato, Splitterklänge, Funkrhythmen türmen sich da bei Songs wie „Let Me Take You Home“ und „House on Fire“ oder bei seinen Soloauftritten in Skopje 2015 vor den Hörern auf, denen man nicht verdenken könnte, wenn sie da schon einmal prophylaktisch den Löschzug anfordern.

In solchen Momenten hat der Gigant Ulmer keine Konkurrenz. Da demonstriert er auch, was die Jugendmusikschule eines Gospelchors in South Carolina, der messerscharfe Drill in Funkbands von Detroit und die Meisterklasse an der Universität von Ornette Coleman in New York wert waren. Den Blues hat er in seiner Community sowieso gratis bekommen. Den Blues wohlgemerkt. Nicht das zwölftaktige Bluesschema. Heute wird James „Blood“ Ulmer achtzig Jahre alt. (FAZ, 02.02.2022)