Di 19. November 2019
20:30

Rickie Lee Jones & Band (USA)

Rickie Lee Jones: vocals, piano, guitar
Rob Mangano: guitar, keyboards, vocals
Cliff Hines: guitar, vocals
Mike Dillon: percussion, drums

Rickie Lee Jones, amerikanische Singer-Songwriterin der Sonderklasse, faszinierte im Wiener Porgy & Bess. Fast zwei Stunden lang entfaltete sie ihre bunte Gegenwelt, sang auch romantische Klassiker.

Am Anfang war Behäbigkeit. Es dauerte etwas, bis sie im Fluss der sublimen Harmonien und des prächtigen Textes ihres Openers „Young Blood“ war. Rickie Lee Jones, die bald 56-jährige, in Chicago geborene Singer-Songwriterin, die in Kalifornien Karriere gemacht hat, hat, obwohl ihre Stimme dunkler geworden ist, immer noch jene bezaubernde Mädchenhaftigkeit, mit der sie berühmt wurde. Allein mit einer Akustikgitarre bewehrt, stellte sie sich am Mittwoch erstmals ihren österreichischen Fans und bot kurioserweise ihre Songs in der Reihenfolge ihres Entstehens dar.

Jones erzählte, wie sie in Venice abhing und verzweifelt Lieder schrieb. Diese musikalisch vertrackten, bildhaft getexteten Songs umkreisten mit Empathie und Poesie Außenseiterschicksale. Die stellte sie auch in Wien vor. Etwa den gerissenen, aber irgendwie eleganten Musiker Sal, „the darkest white person I ever met“. An anderer Stelle bekannte das in die Jahre gekommene Fräuleinwunder, Männer kämen ihr wie Wüsten vor. Dennoch verriet die neben Laura Nyro und Joni Mitchell wohl wichtigste US-Singer-Songwriterin ihre Sehnsucht nach später Liebe: „Könnte ich meine Musik gegen Liebe eintauschen, ich würde es ohne Zögern tun.“

Das wüste Leben mit Lover Tom Waits
Die Musik war ihr stets Therapie. Funkelnd geriet die Interpretation von „Chuck E.'s in Love“, das jene Zeit wieder aufleben ließ, als sie mit Lover Tom Waits und dem erfolglosen Musiker Chuck E. Weiss im Tropicana-Hotel in Los Angeles ein wüstes Bohèmeleben führte. 24 Jahre hat sie diesen Hit nicht live gespielt. Seit einem Jahr tut sie es wieder, weil „sich dieses Lied erholt“ hat.

Ans Klavier wechselnd, lockte sie nach „Coolsville“, einem Ort mit der Verheißung beschleunigten Verderbens: „Well the real thing come and the real thing go, ask me if you wanna know the way to Coolsville.“ In diesem Reigen durfte auch das zart groovende „Easy Money“ nicht fehlen, jenes Lied, das Lowell George, der jung verstorbene Sänger von Little Feat, zum Hit machte. Die Einnahmen verpulverte Rickie Lee Jones in ihre Heroinsucht. Ihr damaliger Lebensstil verscheuchte sogar Tom Waits.

Trotz des dunkleren Timbres kann Jones immer noch „girlish“ sein. Ihr unorthodoxer Gesang mäandert zwischen leicht gequälten, brummeligen Passagen und hellen, fast ekstatischen Kieksern. Mitten hatte diese Frau nie. Ein Highlight ihres Auftritts: eine intensive Version von „Living It Up“, in dem es von zwielichtigen Gestalten wimmelt – sie reflektieren Jones' immer noch existente Wut, ihre Rebellion gegen den Mainstream.

Fast zwei Stunden lang entfaltete sie ihre bunte Gegenwelt, sang auch romantische Klassiker wie „We Belong Together“. Besonders berührend: ihre Coverversion von „Cycles“, einem desillusionistischen Kleinod, das auch Sinatra sang. Anders als in ihren eigenen Songs, die in aller Verzweiflung Hoffnung kommunizieren, hieß es in „Cycles“ brutal: „There isn't much I have learned through all my foolish years, except that live keeps runnin' in cycles, first there is laughter, then those tears...“ Standing Ovations! (Samir H. Köck, "Die Presse", 03.09.2010)